Friday, January 16, 2009

Verkauf (fast) perfekt: Berliner Zeitung bei DuMont Schauberg

Anfang der Woche wurde es beschlossen und verkündet, jetzt müssen "nur" noch das Bundeskartellamt und die Gesellschafterversammlung des Mecom-Konzerns zustimmen: der Verkauf der Berliner Zeitung, des Berliner Kurier, der Hamburger Morgenpost, des Berliner Abendblattes, der Stadtzeitung tip sowie der Netzeitung an den Verlag DuMont Schauberg.

Der neue Besitzer hat seinen Schwerpunkt im Kölner Raum - zu ihm gehören der Kölner Stadt-Anzeiger, die Boulevardzeitung Express, die Kölner/Bonner Rundschau -, außerdem die Mitteldeutsche Zeitung. Ein Einspruch des Kartellamtes ist deswegen nicht wahrscheinlich. Der Verlag ist aber auch an der Frankfurter Rundschau beteiligt, die von dem ehemaligen Chefredakteur der Berliner Zeitung, Uwe Vorkötter, geleitet wird. Dies hat zu Spekulationen geführt, beide Redaktionen bekämem einen gemeinsamen Newsdesk.Dem wird unter anderem in der Frankfurter Rundschau widersprochen.

Nach etwa drei Jahren unter Mecoms Dach wird vom Betriebsrat (in der FAZ zitiert) bilanziert: „Keine Investitionen in Marken, Personal, Technik und Unternehmen, keine Print- und Onlinekonzepte. Stattdessen irrationale Umsatzvorgaben und ständiger Schuldenzuwachs, Rücklagen geplündert, Gewinne abgezogen.“

"Erleichterung" nennt es demzufolge auch Thomas Rogalla in einem Gespräch auf Deutschlandradio Kultur, was bei den Mitarbeitern herrsche. Warum sich, wie er äußert, allerdings Geld verdienen und eine Zeitung machen widersprechen sollen, weiß ich nicht. Die Berliner Zeitung macht ja immer noch Profit.

In der FAZ herrscht Verwunderung über die Expansion des Verlags: "Der 81 Jahre Familienpatriarch Alfred Neven DuMont setzt im bröckelnden deutschen Zeitungsmarkt stärker als alle seine Konkurrenten auf Wachstum. 'Fressen, um nicht gefressen zu werden', umschreibt ein anderer Großverleger die Strategie des Seniors, der in Köln noch immer das letzte Wort hat."

Die NZZ differenziert: "Nach seinem Abgang werden sich die besorgten Branchenbeobachter vermehrt mit der Tatsache konfrontieren müssen, dass die einheimischen «klassischen» Medienmanager nicht wirklich zimperlicher als der Mann von drüben vorgehen." Immerhin war in den vergangenen Tagen ja auch überall zu lesen, wie Gruner und Jahr die Redaktionen von FTD, Capital, Börse Online und Impulse zusammenlegt. Im Blog "Die Dschungel. Anderswelt" war kürzlich zu lesen, dass "[...] die FAZ momentan kaum mehr mehr als 50 ct/Zeile bezahlt, und zwar: bezahlen k a n n [...]".

In der Süddeutschen Zeitung ist jetzt ein Porträt von Neven DuMont erschienen: "Auch wenn, so Neven DuMont, die Wirtschaftskraft nicht mit München, Hamburg, Frankfurt oder Köln vergleichbar sei: 'Berlin ist aufregender als jede andere deutsche Stadt.' [...] Die Zeitung ist für Neven DuMont Kulturgut, sie wird nicht vorwiegend aus finanziellen Gründen gemacht. Natürlich muss die Kasse stimmen und auch M. DuMont Schauberg baut Personal ab. Daran, so Neven DuMont, komme derzeit kein Verlag vorbei. Doch die publizistische Qualität war ihm immer genauso wichtig wie der Profit."

Da ist er also, der "echte Verleger", wie ihn auch die Betriebsratsvorsitzende der BVZ Deutsche Mediengruppe, Renate Gensch, nennt. Diese Idee kritisiert Thomas Knüwer im Handelsblattblog: "Der Schriftsteller Arno Schmidt berichtete einst über seine Erfahrungen mit der Presselandschaft im Wirtschaftswunderland: 'Alle Verleger sind Schufte'. Und angeblich war es Kurt Tucholsky, der sagte: 'Die Verleger schlürfen aus den Hirnschalen ihrer Autoren Champagner.' Verbürgt ist wohl seine Äußerung, dass der deutsche Zeitungsverleger ein 'ängstlicher Mann' sei: 'er will Geld verdienen, was ihm kein Mensch übelnimmt, und er will nur Geld verdienen, was ihm sehr übel zu nehmen ist.'"

Er schließt: "Was Zeitungen heute brauchen, sind nicht mehr Verleger, sondern bessere Geschäfts-Führer. Dabei ist es unerheblich, ob diese nun über Eigentümerschaft gleichzeitig Verleger sind. Wichtiger ist, dass sie sowohl führen können, als auch Branchenwissen und Weitblick haben. [sic!] Dass sie integer sind und klar denken. Sprich, dass sie 'echte Manager' sind. Sie sollten wir uns herbeiwünschen, statt irgendwelchen Traumbildern hinterherzujammern."

Ich bin gespannt, wie sich die Berliner Zeitung, an der vor allem mein Herz hängt, im noch frischen Jahr entwickeln wird.

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