Friday, April 10, 2009

Politisches Handeln in der Finanzkrise

Ich entdecke gerade via FAZ via perlentaucher die "Blätter für deutsche und internationale Politik". Die FAZ ätzt, vielleicht zurecht:

"Ja, man hat den Eindruck, nichts scheue linke Kulturkritik im Augenblick so sehr wie dies: konkret zu werden. Man könnte ja in die Verlegenheit kommen, die neue postkapitalistische Welt, von der man träumt, mit Sachverstand ausbuchstabieren zu müssen."

Und Christian Geyer fragt weiter: "Wo etwa bleibt die fundierte Kritik an der Wissenschaft der politischen Ökonomie, deren Lehrbücher doch die Drehbücher der gegenwärtigen Krise sind?"

Grundlegendes Problem, zumindest was die erwähnten "Blätter" betrifft, scheint die Fixierung auf die Linkspartei als Instrument zu sein. Albert Scharenberg schreibt über die Entstehung:

"Die anhaltende gesellschaftliche Kritik insbesondere an den Hartz-Reformen trieb ihr Tausende neue Mitglieder zu, und die Erfolge bei den Landtagswahlen in Niedersachsen und Hessen sowie der Bürgerschaftswahl in Hamburg markierten den Durchbruch der neuen Partei im Westen der Republik und die Etablierung eines Fünfparteiensystems."

Er zeigt sich verwundert, dass sie Linkspartei nicht davon profitiert, jahrelang den "Neoliberalismus" gegeißelt zu haben, sondern sich vielmehr dessen "Speerspitze", die FDP, in Umfragen auf Höhenflug befindet.

"Die inhaltliche Ratlosigkeit in Zeiten der Krise wird von der Partei bislang jedoch trotzig verleugnet. In Verkennung der realen Situation wähnen sich viele Aktivisten gar in der politischen Offensive – in der Annahme, der Neoliberalismus sei politisch tot."

Diese inhaltliche Ratlosigkeit war allerdings auch vor dem Zusammenbruch der Finanzmärkte durchaus fassbar, will sagen, die meisten Aktivisten schienen ohnehin davon überzeugt, dass es nur eine Sache der Zeit sei, bis das Gebäude zusammenbricht und man die dann geläuterten ehemaligen Apologeten der mehr oder minder freien Märkte einsammelt und harmonisch vereint einer neuen Zukunft entgegenschreitet. Es scheint deswegen auch nie ein Konzept für konsistentes Handeln vor und nach der Übernahme von Regierungsverantwortung gegeben zu haben.

"Den mit dieser Aufgabe verbundenen Herausforderungen stellt sich das Führungspersonal der Linkspartei bislang jedoch nicht. [...] Kann man eine große, „systemrelevante“ Bank pleitegehen lassen? Muss man jetzt, wie es die Gewerkschaften lautstark fordern, jede Fabrik und jeden von Abbau bedrohten Arbeitsplatz verteidigen? Soll man gar Milliardärinnen, die sich schlicht am Markt verzockt haben, mit Staatsgeldern wieder auf die Beine helfen, wie es die IG Metall im Fall Schaeffler vorschlägt?"

Wie wäre es denn mal mit der Frage über das gewünschte Ausmaß des staatlichen Einflusses auf wirtschaftliches Handeln? Und wie wäre es mit einer Antwort, und das betrifft keineswegs nur die Linkspartei, die so glaubwürdig klingt, dass man auf deren Umsetzung nach der Bundestagswahl vertrauen kann? Ich wünsche mir eine tiefgehende und medienübergreifende Diskussion vor der Bundestagswahl, in der genau dies zur Sprache kommt. Warum bin ich diesbezüglich nichts besonders zuversichtlich?

Sascha Lobo schrieb anlässlich des thematischen Relaunches des "Freitags" nach seiner Übernahme durch Jakob Augstein:

"Aber wo ist das linke, parteiunabhängige Medium, auf das wir warten, die wir Toleranz brauchen, die Freiheit lieben, die Marktwirtschaft akzeptieren, die Veränderungen der Welt bemerkt haben, die Gesellschaft nicht revolutionieren, sondern weiterentwickeln wollen und die Individualität als Wert erkennen, ohne die hohe soziale Verantwortung zu vernachlässigen? [...] Ich will den Kapitalismus nicht abschaffen, sondern optimieren. [...] Ich bin linksliberal-demokratisch mit sozial-marktwirschaftlichem Einschlag und möchte undogmatische, aber klare und intelligente Positionen sehen. Wo ist mein Medium?"

Ich möchte anfügen: Wo ist die Partei?

Wednesday, April 8, 2009

Jon Stewart erklärt Demokratie

The Daily Show With Jon StewartM - Th 11p / 10c
Baracknophobia - Obey
comedycentral.com
Daily Show
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Economic CrisisPolitical Humor

Christoph Drösser zu Open Access

Christoph Drösser hat einen sehr guten Artikel geschrieben, der die Debatte schön versachlicht:

"Das größte Missverständnis ist aber, dass es sich bei Open Access um eine weitere Form der internetüblichen Umsonstkultur handle. [...] In der Debatte um Open Access ist der antimonopolistische Impetus längst der Frage gewichen, welche Publikationsform für die moderne Wissenschaft denn wirklich die beste ist."

Tuesday, April 7, 2009

Krise und Revolution

Zwei ganz unterschiedliche Artikel über das Grummeln bei den von der Krise bislang eher mittelbar betroffenen Menschen in Deutschland, die sich zu einem ernsthaften Widerstand nicht durchringen können. Der Schriftsteller Ilja Trojanow schreibt in einem sehr langen Artikel in der Zeit, der das Zögern angesichts des Mangels an ernsthaften Alternativen großartig beschreibt:

"Allein die Anarchisten, die mit Leichtigkeit jeden Humor- und Kreativitätspreis unter den Linken gewinnen würden, blicken gewitzt über ihren Horizont hinaus und rufen: »Arbeiter lasst das Schuften sein / reiht euch in die Demo ein!« Die Bauarbeiter winken erfreut vom vierten Stock eines Bürohochhauses hinab. Wie sie auf die revolutionäre Maximalforderung der Partei Die Linke (»10 Euro Mindestlohn, 40-Stunden-Woche«) weiter hinten im Demonstrationszug reagieren, ist nicht überliefert. [...]

Der nachdenkliche Demonstrant muss sich voller ähnlicher Zweifel nach Hause begeben. Wie soll sich ein System, das als imperial, brutal, profitgeil und unterdrückerisch beschrieben wird, von Unterschriftenaktionen und Plakaten zum Umdenken bewegen lassen? Wie soll man utopisch denken und zugleich realistisch handeln, wenn das Problem darin liegt, dass der Gegner (die kapitalistische und politische Elite) den Rahmen dessen vorgibt, was realistisch sein darf?"

Und Timothy Garton Ash spricht in einem Interview mit der Berliner Zeitung, neben seinen Erfahrungen in der DDR und das Jahr 1989, über außerparlamentarische Opposition und ihr mögliches Erscheinungsbild:

"In Europa gibt es Hunderttausende, wahrscheinlich Millionen junger Menschen, die eine Hochschulbildung haben und trotzdem keine Jobs finden. Das ist wie Sprengstoff. Ich vermute, das Jahr 2009 wird das Jahr der 'roten Erika'. [...]

Es wird unruhig werden. Eric Hobsbawm, der große marxistische Historiker, hat gesagt: Wenn der Kapitalismus in die Krise gerät, dann gibt es wieder die Faschismus-Gefahr, den Feind, der rechts steht. Ich sehe das im Moment nicht. Ich vermute, es wird eher eine links-populistische als eine rechts-faschistische Bewegung geben."