Wednesday, January 14, 2009

Jean-Patrick Manchette: Morgue pleine

Ein Hard-boiled Krimi auf Französisch? Ja, das geht. In einer älteren Version von 1992 bei Lübbe hieß er "Sieben Stufen zum Himmel", der Distel-Verlag bringt die Werke wieder auf den Markt. Sie haben sogar eine Webseite für ihn gestaltet. Hier heißt er in der wörtlichen Übersetzung "Volles Leichenhaus".

Es geht um den abgehalfterten (wie auch sonst) ehemaligen Polizeikommissar Eugène Tarpon, der Privatdetektiv geworden ist, dessen Geschäfte aber derart schlecht laufen, dass er seine Wohnung (die auch sein Büro ist) auflösen will und seine Mutter anruft, er ziehe wieder zu ihr. In der letzten Nacht vor seiner Abfahrt aus Paris überschlagen sich dann die Ereignisse - erst will ihn ein Bekannter überreden, bei einer Firma namens Encadrement et Surveillance Industrielle, die sich vor allem dadurch auszeichnet, dass das personnel exclusivement francais ist, mitzuarbeiten (er schmeißt ihn raus). Dann besäuft sich Tarpon. Nachts klingelt ihn ein verschreckter Musiker raus, dessen Klub von Mafia-Typen bedroht wird. Bevor Tarpon auch ihn rausschmeißt, schlägt er ihn zusammen. Er betrinkt sich weiter. Dann wird er erneut geweckt, von einer Frau, die behauptet, ihre Mitbewohnerin sei ermordet worden. Er empfiehlt ihr, zur Polizei zu gehen.

Natürlich wird er auch sie los, sie lässt es sich aber nicht nehmen, vorher ihn zu vermöbeln. Als er aufwacht, entschließt er sich, dem Hinweis doch zu folgen. Die Mitbewohnerin der Frau ist tot, die Frau selbst, sie heißt Memphis Charles, ist verschwunden.

Damit beginnt dann ein ganz typischer Hard-Boiled-Krimi:

"Il a commencé à rire d'un rire qui promettait d'être long et qui n'as pas tenu ses promesses." (S. 61)

"Un Beretta, à ce qu'il m'a semblé, et du petit calibre, sans doute encore du 22. C'étaient de grands amoureux du 22, ces zèbres, c'est-à-dire qu'ils étaient trop sûrs d'eux ou qu'ils tiraient vraiment très bien. Je penchais pour la seconde hypothèse parce que je suis impressionable." (S. 85)

Im weiteren Verlauf wird Tarpon mehrfach entführt, bringt ein paar Leute um, und die schöne Frau ist am Ende gar nicht wirklich schuld. Dieser Stil ist äußerst unterhaltsam und, das Buch stammt von 1973, gut abgehangen. Neu ist er nicht. Und so stellt sich immer wieder mal der Gedanke ein, dass man vermutlich kein zweites Buch von diesem Autoren lesen wird, oder aber vielleicht sein letztes, weil man hofft, dass sein Stil sich verbessert hat über die Jahre (Manchette starb bereits 1995).

Wir lesen aber in einer Rede von Tobias Gohlis zum 10. Todestag Manchettes folgendes:

"Sieht man einmal von zwei Romanen ab, in denen er die Figur des Privatdetektivs zu einer ziemlich desaströsen und erfolglosen Aktivität erweckt, verzichtet er ganz auf diese heroischen Figuren, deren Trunksucht, Melancholie und Treue zum Auftraggeber von den auf wenige Individuen beschränkten Restbeständen einer untergegangenen Moralität künden. [...] Manchettes Gespür für Aktion, für Timing, für Atmosphäre und Szene ist unübertroffen. Sein karger Stil, der von jeder Sentimentalität entschlackt ist, entfaltet ein ungeheures Tempo. Seine Plots entbehren jeder, aus den Fernsehserien bis zum Erbrechen bekannter, Vorhersehbarkeit. Nichts verläuft erwartungsgemäß - obwohl keiner der Beteiligten es schafft, den Schatten seiner vorherbestimmten Rolle, sein soziales Romanschicksal, zu überspringen."

Geben wir also einem anderen Roman eine Chance, wenn sich die Gelegenheit bietet.

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