Tuesday, April 7, 2009

Krise und Revolution

Zwei ganz unterschiedliche Artikel über das Grummeln bei den von der Krise bislang eher mittelbar betroffenen Menschen in Deutschland, die sich zu einem ernsthaften Widerstand nicht durchringen können. Der Schriftsteller Ilja Trojanow schreibt in einem sehr langen Artikel in der Zeit, der das Zögern angesichts des Mangels an ernsthaften Alternativen großartig beschreibt:

"Allein die Anarchisten, die mit Leichtigkeit jeden Humor- und Kreativitätspreis unter den Linken gewinnen würden, blicken gewitzt über ihren Horizont hinaus und rufen: »Arbeiter lasst das Schuften sein / reiht euch in die Demo ein!« Die Bauarbeiter winken erfreut vom vierten Stock eines Bürohochhauses hinab. Wie sie auf die revolutionäre Maximalforderung der Partei Die Linke (»10 Euro Mindestlohn, 40-Stunden-Woche«) weiter hinten im Demonstrationszug reagieren, ist nicht überliefert. [...]

Der nachdenkliche Demonstrant muss sich voller ähnlicher Zweifel nach Hause begeben. Wie soll sich ein System, das als imperial, brutal, profitgeil und unterdrückerisch beschrieben wird, von Unterschriftenaktionen und Plakaten zum Umdenken bewegen lassen? Wie soll man utopisch denken und zugleich realistisch handeln, wenn das Problem darin liegt, dass der Gegner (die kapitalistische und politische Elite) den Rahmen dessen vorgibt, was realistisch sein darf?"

Und Timothy Garton Ash spricht in einem Interview mit der Berliner Zeitung, neben seinen Erfahrungen in der DDR und das Jahr 1989, über außerparlamentarische Opposition und ihr mögliches Erscheinungsbild:

"In Europa gibt es Hunderttausende, wahrscheinlich Millionen junger Menschen, die eine Hochschulbildung haben und trotzdem keine Jobs finden. Das ist wie Sprengstoff. Ich vermute, das Jahr 2009 wird das Jahr der 'roten Erika'. [...]

Es wird unruhig werden. Eric Hobsbawm, der große marxistische Historiker, hat gesagt: Wenn der Kapitalismus in die Krise gerät, dann gibt es wieder die Faschismus-Gefahr, den Feind, der rechts steht. Ich sehe das im Moment nicht. Ich vermute, es wird eher eine links-populistische als eine rechts-faschistische Bewegung geben."

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