Monday, February 23, 2009

Carlos Slim und die New York Times

Ende Januar schrieb Andres Martinez im Slate-Magazine seine Bedenken über das Investment des mexikanischen Geschäftsmannes Carlos Slim in das Unternehmen, das auch die New York Times herausgibt, nieder:

"Let's face it. The New York Times would never strike a deal with a U.S. tycoon of a similar profile, for fear of triggering real or apparent conflicts between the newspaper's coverage and the investor's interests. Not that you could ever find such a U.S. tycoon: The conglomerate of Slim-controlled telecom, banking, tobacco, retailing, insurance, construction, and other interests has been estimated to add up to 7 percent of Mexico's GDP."

Dabei macht Martinez klar, dass er in keiner Hinsicht eine antikapitalistische Sichtweise einnehmen will. Doch verweist er auf einen Artikel im Wall Street Journal, in dem sein Aufstieg zum Reichtum nachgezeichnet wird. Zum Konzern gehören über 200 Firmen in den unterschiedlichsten Branchen, sodass"[i]t's hard to spend a day in Mexico and not put money in his pocket." Die in Mexiko aufgebauten Monopole bedrohen dabei auch die Demokratie im Land:

"Congress routinely kills legislation that threatens his interests, and his firms account for a chunk of the nation's advertising revenue, making the media reluctant to criticize him."

Dabei scheint seine Geschäftsstrategie typisch Hedge-Fund zu sein: Firmen aufkaufen und aufpäppeln - nur dass er sie dann augenscheinlich nicht verkauft, sondern danach seine Mitbewerber aus dem Feld drängt. Dies liegt allerdings im Wesen der (freien) Marktwirtschaft. Nur bleibt eben das Problem des Monopols: Der fehlende Wettbewerb lässt die Preise für Telekommunikation so hoch bleiben, dass Mexiko schlechter als vergleichbare Staaten vernetzt ist.

Der Grund für den rasanten Aufstieg Slims liegt dann offenbar eher in der Freundschaft zu einem mexikanischen Politiker:

"Despite his abilities, many here believe his biggest break was the rise to power in 1988 of Carlos Salinas [Präsident von 1988 bis 1994], a Harvard-educated technocrat bent on modernizing the country. The two men had struck up a friendship in the mid-1980s, and Mr. Salinas spoke of Mr. Slim as the country's brightest young businessman."

und in der vollständigen Abwesenheit von Regulierung:

"Attempts to regulate Mr. Slim's companies have largely failed over the years. Mexico's telephone regulator, Cofetel, was so weak in the 1990s that Telmex's rivals dubbed it 'Cofetelmex.' When the regulator did try to act, Mr. Slim's lawyers blocked it in the country's Byzantine courts."

Aber Martinez will nicht darauf hinaus, wie Slim sein Geld verdient hat, rechtens oder mit zweifelhaften Methoden:

"It's whether the New York Times really wants to tie its reputation so closely to his. Was there really no one else who had a quarter of a billion dollars to spare?"

Denn das eigentliche Problem, so Martinez, ist, dass man nicht beweisen kann, dass Slim keinen Einfluss auf die Inhalte der Zeitungen nimmt:

"I know from experience that publishers do intervene in the editorial process, as is their prerogative. And I can assure you that Slim's investment will be a factor, even if unspoken, in editorial decision-making henceforth at the Times. Perhaps Mexico's crony capitalism will remain a mostly neglected topic—but now conspiracies will be read into the neglect. [...] It becomes easier for him to write off his critics in Mexico as perennially frustrated leftist whiners. If any of what they alleged were true, after all, would the enlightened and liberal New York Times allow him to become one of its largest shareholders?"

(Wohlgemerkt, ihm steht kein formaler Einfluss durch seine Aktien zu. Die alleinige Verantwortung trägt nach wie vor die Familie Sulzberger.) Komischerweise ist von alldem wenig zu lesen in dem Artikel der taz zum "Niedergang der New York Times". Dort werden immer noch die Zahlen aus dem Atlantic Monthly-Artikel benutzt. Von der Lösung dieses Problems erfährt der Leser hingegen nichts.

Am 15. Februar nun versucht die New York Times genau das, worüber sich Jack Shafer bei Slate ausließ: "the Times being damned if it covers him and damned if it doesn't." Nach der obligatorischen Erwähnung des Investments Slims in der NYTimes charakterisiert der Autor auch den Stil seines Umgangs mit den Medien:

"With telecommunications, retailing and construction companies under his command, Mr. Slim looms large over the media landscape in his country. Notoriously thin-skinned, he does not have to pick up the phone and bellow at those who publish and broadcast something he does not like. His vast resources often translate into less-than-critical coverage."

Geschildert wird dann auch, wie der Deal zwischen dem Zeitungshaus und Slim eingefädelt wurde - allem Anschein nach kam die Initiative von der Zeitung. Neben dem Geschäftsinteresse, das Slim verfolgt, hat das Investment aber auch einen Imagegrund:

"Besides the financial benefits, those who know Mr. Slim also see in the deal an effort to bolster his reputation by linking himself with a well-known brand."

Die Verbindung lässt also das Problem ganz offenbar werden: Wenn über verschiedene neue Erlösmodelle für Printprodukte nachgedacht wird, kann auch die Unterstützung durch sehr reiche Privatpersonen dazu gehören, die sich dadurch einen Gewinn für ihr Image versprechen mögen und einfach, wie bei normalen CSR-Aktivitäten, einer Art öffentlichen Verantwortung als Staatsbürger nachkommen. Dass die journalistische Unabhängigkeit dadurch gefährdet werden kann, kann das der Grund sein, dieses Engagement abzulehnen? Und zu welchem Preis? Wieviele andere ultrareiche Personen auf der Welt gibt es, die für 250 Mio. Dollar Anteile der renommiertesten Zeitung der Welt kaufen (könnten), ohne dass dies in irgendeiner Weise mit der Herkunft dieses Vermögens interferierte? Allein durch ihren Reichtum und den dadurch möglichen Einfluss, den solche Menschen ausüben können, haben Informationen sie betreffend Nachrichtenwert.

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