Friday, May 15, 2009

Miriam Meckel zum zweiten

Miriam Meckel, wieder in der FAZ, mit sehr ähnlichen, nur halb überlegten Argumenten. (Um nicht in den FAZ'schen Strudel der Vergütungsforderungen zu geraten, den Artikel veröffentlicht Meckel auch auf ihrem Blog). Ihre Definition von Journalismus lautet:

"Journalisten beobachten die Welt mit der Aufgabe und Zielsetzung, das Ergebnis ihrer Beobachtung professionell aufzubereiten und es als Nachricht, Bericht oder Reportage wieder in die Gesellschaft einzuspeisen."

Dies impliziert, Journalisten befänden sich außerhalb unserer Gesellschaft. Was so nicht ganz stimmt. Und der Satz impliziert selbstverständlich keineswegs, dass alle Journalisten, oder auch nur die Mehrheit, der Aufgabe nachkommen und das gesetzte Ziel erreichen.

"Die Internetunternehmerin Ariana Huffington hat ihre Antwort auf diese Frage [nach der Finanzierung von Qualitätsjournalismus] vor einigen Tage bei der US-Senatsanhörung […] auf den Punkt gebracht: Die Zukunft liegt nicht im Qualitätsjournalismus, der durch ein Mediensystem getragen ist. Sie liegt in einer Kombination aus Bürgerjournalismus und stiftungsfinanzierten Investigativfonds. Den Journalisten und Zeitungsmachern ruft Huffington zu: 'If you can’t find your way to that, then you can’t find your way.'" (Die Links sind von Frau Meckel.)

Dass Arianna Huffington nicht (nur) Internetunternehmerin ist, sondern so etwas wie eine Verlegerin im Netz, unterschlägt Meckel, und damit wird sie der Aussage Huffingtons auch nicht gerecht. Entstellend auch: Einer der ersten Sätze im Testimony ist: "Journalism Will Not Only Survive, It Will Thrive." Huffington macht ihren Punkt klar: "Since good journalism plays an indispensable role in our democracy, we all have a vested interest in making sure that our journalistic institutions continue producing quality reporting and analysis. But it’s important to remember that the future of quality journalism is not dependent on the future of newspapers."

Und dass die "Lebenserfahrung und die Beobachtung ihrer Lebenswelt" von Bürgern, welche jene im Netz veröffentlichen, genau das Gegenteil von "Reproduktion und Neukombination von vorhandenen Informationen" sein müsste, verkennt Meckel ebenso. Huffington hingegen definiert: "'Citizen Journalism' is shorthand for a collection of methods for producing content by harnessing the power of a site’s community of readers […]".

"Es ist an der Zeit, eine ernsthafte Debatte darüber zu führen, dass Qualitätsjournalismus zu den Institutionen einer freien und demokratischen Gesellschaft gehört - so wie freie Wahlen, freie Gerichtsbarkeit und die Trennung der Staatsfunktionen."

Nana! Freie Presse bzw. die Pressefreiheit (Art. 5 GG) gehört zu den Institutionen einer demokratischen Gesellschaft. So wie freie Wahlen (Art. 28 GG), freie Richter (Art. 97 GG) und die Trennung der Staatsfunktionen (Art. 20 GG). Von "Qualitätsjournalismus" spricht unser Grundgesetz nicht. Huffington könnte man dazu so argumentieren lassen:

"We must never forget that our current media culture led to the widespread failure (with a few honorable exceptions) to serve the public interest by accurately covering two of the biggest stories of our time: the run-up to the war in Iraq and the financial meltdown."

In Deutschland gilt das zweite sicherlich deutlich mehr, aber Frau Meckel sollte die Ironie, dass sie in der FAZ schreibt, nicht mehr entgehen, wenn es um die Finanzkrise geht.

"Es reicht […] nicht, fortwährend über neue Geschäftsmodelle im Internet zu philosophieren und Werbeeinbrüche zu beklagen. Der Journalismus muss sein Überleben auch selbst in die Hand nehmen und für sich argumentieren. Er muss seine Kunden überzeugen, dass journalistische Qualität einen sozialen Wert hat, der wiederum eines materiellen Gegenwerts bedarf. Und dafür muss eine Gesellschaft bezahlen."

Aber die Presse wäre eben nicht frei, wenn sie vom Staat, also der Gesellschaft, finanziert würde. Deswegen muss es Gespräche über Geschäftsmodelle geben. Die es übrigens schon lange gibt. Wie Meckel selbst zugibt, ist der Kanal für Journalismus dabei unerheblich. Nur wenn es um Kunden geht, dann geht es eben auch um Geschäft. Kunden sind aber etwas anderes als "eine Gesellschaft".

Schließlich: entgegen einer von Meckel getroffenen Aussage reduziert guter Journalismus die Komplexität der Welt nicht, sondern er erhöht sie. Komplexitätsreduzierend wirken abgedruckte dpa-Meldungen zur Schweinegrippe; eine seitenlange Reportage über die Zusammenhänge von Energieverbrauch, Klimaschutz und der Auswirkung diesbezüglicher umweltpolitischer Maßnahmen auf Menschen in Europa und anderswo bringt Lesern die verwirrende Komplexität der Welt doch erst näher.

Der Makel an Meckels Artikel (welch nette Alliteration) ist, dass sie keine eigentliche Lösung anbietet. Das könnte daran liegen, dass gerade sehr viele, sehr intelligente Menschen daran arbeiten, für genau das Problem eine Lösung zu finden, aber soweit noch nicht sind. Meckel begnügt sich aber mit dem vagen Vorschlag, "der" Journalismus müsse für sich argumentieren und seine Leser überzeugen. Wie, womit; das bleibt offen.

Stefan Niggemeier schreibt aus viel umfassenderer Perspektive, nämlich über Qualitätsjournalismus überhaupt, erwähnt aber auch: "Sie meint das nicht böse […]".

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